Ladakh 2015

Trans-Himalaya. Entwicklungsprozesse in einer peripheren Hochgebirgsregion

Exkursionsteilnehmer:innen Ladakh 2015

Im September 2015 war Ladakh zum dritten Mal Ziel einer großen Exkursion. Unter der Leitung von Marcus Nüsser und Susanne Schmidt fuhr eine Gruppe von 17 Studierenden der Geographie und des Südasien-Instituts in den nordindischen Trans-Himalaya. Auf der Exkursion wurden gleichermaßen physisch- und humangeographische Aspekte der peripheren Hochgebirgsregion behandelt.
Die Aufenthalte in der Distrikthauptstadt Leh dienten zum einen der Akklimatisierung und zum anderen führten die Studierenden kleine Projektarbeiten durch. Die alte Handelsstadt Leh, die zunehmend vom Tourismus geprägt wird, erfährt seit 2015 starke infrastrukturelle Baumaßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgung des Stadtzentrums. Neben dieser infrastrukturellen Sanierung wird aber auch gleichzeitig der Bazar modernisiert, womit die alten Häuser durch neue Geschäftshäuser ersetzt werden. Im Kontext dieser Veränderungen waren die Projekte der Studierenden angesiedelt. So diente eine Kartierung der Geschäfte und Häuser sowie qualitative Kurzinterviews der Kaufleute im Main Basar, der Haupteinkaufsstraße für Touristen, der Veränderungsdetektion. Mit Hilfe von Kartierungen und Befragungen in der Altstadt von Leh sollte die Situation der Wasserversorgung erfasst werden. Die Entwicklung des touristenbezogenen Baubooms wurde mit Hotel- und Gästehäuserkartierungen in ganz Leh aufgenommen. Neben diesen Projektarbeiten in Leh führte der erste Teil der Exkursionsroute in das 205 km von Leh entfernte Dorf Turtuk. Dieses Dorf, das nahe der pakistanischen Grenze liegt, steht erst seit 1971 unter indischer Kontrolle und ist seit 2009 für den Tourismus geöffnet. Auf dem Weg, der dem Shyok-Tal folgte, wurden die Folgen der Grenzkonflikte zwischen Indien und Pakistan sowohl für Infrastruktur als auch für die dort lebende Bevölkerung sichtbar und in Gesprächen diskutiert. So fielen einerseits neben den unzähligen Passkontrollen vor allem die sehr gut ausgebaute Teerstraße und der Militärflughafen auf, andererseits wurden unzählige Kriegsdenkmäler passiert. 

Sprung in den Dünen

Wie bei den letzten Exkursionen durfte auch diesmal ein Stopp in den Dünen von Hundar nicht fehlen, die zu einem wahren Touristenmagneten geworden sind. Die Exkursionsgruppe hat hier aber nicht nur den geomorphologischen Formenschatz, sondern auch die klimatologischen Besonderheiten des Hochgebirges diskutiert, die sich insbesondere durch eine extreme Sonneneinstrahlung charakterisieren lassen, die hohe Oberflächentemperaturen tagsüber bedingen. Eigene Messungen entlang eines Profils über die Düne bestätigten diese Sonderposition, denn es konnten hier Oberflächentemperaturen von 70° C gemessen werden. Nach dem Shyok-Tal führte die Route in die Changthang-Region, dem Hochplateau von Ladakh, das noch heute trotz der Grenzziehung zwischen China und Indien von Nomaden, die Ziegen und Schafe halten, bewirtschaftet wird. Mit der Übernachtung an dem über 4500 m hoch gelegenen Tso Moriri wurde die Ausrüstung für die nachfolgende Markha-Tour getestet. Abends referierte uns der Experte Blaise Humbert-Droz, der seit über 20 Jahren die Brutvögel an den großen Seen Ladakhs beobachtet, über die Auswirkungen des Tourismus und des Klimawandels auf die Ökologie der gefährdeten Feuchtgebiete. Die Wasservögel fliegen aus dem Tiefland in die hochgelegenen Feuchtgebiete zum Brüten, womit sich die Umweltveränderungen an diesen Seen bis ins Tiefland auswirken werden. 

Korzog Dorf am Tso Moriri

Die zweite Hälfte der Exkursionsroute führte – wie bereits im Jahr 2007 – durch das Markha-Tal, einem südlichen Seitental des Indus. Durch dieses Tal führte bis ins 19. Jh. eine Handelsroute, die das Tiefland mit Ladakh und dem tibetischen Hochplateau verband; noch heute zeugen die unzähligen Fortund Klosterruinen von dieser ehemaligen Vormachtstellung. Heute stellt das Tal eine beliebte Trekking-Destination dar, da es trotz der Nähe zu Leh für den motorisierten Verkehr unerschlossen ist. Eine Ursache hierfür sind die periodisch auftretenden Hochwässer und Hangrutschungen, die Straßen und Brücken immer wieder zerstören; so auch im Sommer 2015. Entlang des Weges zeigten Erosionskanten, mitgerissene Bäume und Akkumulationskörper die extremen Folgen der letzten Starkniederschläge. Daneben konnten die verschiedenen Vegetationstypen bestimmt, geologische und geomorphologische Formen und Prozesse gezeigt, landwirtschaftliche Nutzungsmuster thematisiert und Einflüsse des Tourismus diskutiert werden. Am höchsten Punkt der Exkursionsroute standen die Studierenden auf über 5400 m und konnten glaziologische Prozesse eindrücklich sehen. Der weitere Weg folgte, entgegen der normalen Trekkingroute, zunächst dem alten Handelsweg und später auf neuen Wegen zu einem proglazialen Gletschersee. Dieser „Hidden Lake“, wie er von unserem Guide Chekar benannt wurde, wird von Moränen gesäumt und ist seit den 1960er-Jahren um 450 m an Länge gewachsen, wie Satellitenbilder zeigen. Mit diesem proglazialen See und dem Dorf Gya, wo die Trekkingroute endete, konnte noch einmal die mit den zurückgehenden Gletschern verbundenen Naturgefahren thematisiert werden. Das Dorf Gya war im Sommer 2014 von einem Gletscherseeausbruch getroffen worden und auch zwei Jahre später zeugen von der Flut eine zerstörte Betonbrücke, zwei zerstörte Häuser und die großen Erosionskanten entlang des Flusses.

Passüberquerung mit Blick auf den Kang Yatze
Campen im ersten Schnee